Menu
Menü
X

Aufarbeitung von Missbrauch

Sexualisierte Gewalt: Wie geht Hessen-Nassau mit dem Thema Missbrauch um?

Null Toleranz bei Gewalt

Null Toleranz bei Gewalt

Am 3. März 2023 hat das Bistum Mainz eine umfassende Untersuchung zum Thema Missbrauch veröffentlicht, die sogenannte „EVV-Studie“. Wie geht Hessen-Nassau mit dem Thema sexualisierte Gewalt um?

Am 3. März 2023 hat das Bistum Mainz seine erste unabhängige Untersuchung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt veröffentlicht. Es ist die sogenannte „EVV-Studie“ - EVV steht für „Erfahren, Verstehen, Vorsorgen“. Sie will im Bistum für Transparenz in Fragen von sexualisierter Gewalt sorgen und beleuchtet das Thema Missbrauch von 1945 an bis in die Gegenwart. In diese Spanne fällt unter anderem auch die Amtszeit des bekannten Mainzer Kardinals Karl Lehmann, der 2018 starb.

Evangelische Kirche und Prävention

Wie geht die evangelische Kirche mit dem Thema Missbrauch um? Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat sexualisierte Gewalt bereits seit 2010 zu einem Schwerpunkt ihrer Präventionsarbeit gemacht. Auslöser waren damals Hinweise Betroffener im Zuge der Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche. Die EKHN reagierte unmittelbar, als sich auch bei der EKHN Betroffene meldeten. Es wurden neben den Gleichstellungsbeauftragten weitere konkrete Ansprechpartnerinnen und -partner benannt. Seitdem wurde die Präventions- und Aufarbeitungsarbeit in der EKHN kontinuierlich weiterentwickelt und verstärkt. Sie reicht von Informationen in „leichter Sprache“ bis hin zu einem umfassenden Gewaltpräventions-Gesetz.

Präventions-Gesetz setzt Standards

Ein wichtiger Schritt war die Verabschiedung des Gewaltpräventions-Gesetzes von 2020. Es fasst viele Einzelmaßnahmen zusammen und definiert unter anderem klare Standards zu verpflichtenden Schutzkonzepten in kirchlichen Einrichtungen. Es stellt zudem verbindliche Verhaltensanforderungen an Haupt- und Ehrenamtliche, wie zum Beispiel ein Distanz- und Abstinenzgebot in besonderen Macht- und Vertrauensverhältnissen und bei besonderen Abhängigkeiten. Verbindlich wird darin  neben der Prävention auch Intervention und Aufarbeitung festgelegt.

Hilfe und Strafverfolgung in der EKHN

Betroffenen, die sich wegen sexualisierter Gewalt melden, half die EKHN von Anfang an individuell und unbürokratisch, etwa bei der Finanzierung möglicher Therapiekosten. In Absprache mit den Betroffenen wurde Anzeige erstattet oder aber, wenn wegen der Verjährung keine staatliche Ermittlung durchgeführt wurde, bei öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen ein disziplinarrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Oktober 2022 hat in Hessen-Nassau nun auch eine unabhängige Anerkennungskommission ihre Arbeit aufgenommen. Die EKHN beteiligt sich zudem an der umfassenden Aufarbeitungsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Außerdem finanziert die EKHN eine wissenschaftliche Vorstudie über strukturelle Begünstigungen von sexualisierter Gewalt in der Kirche mit, die durch die Humboldt-Universität Berlin erarbeitet wird. Nach wie vor gilt: In Hessen-Nassau werden Beschuldigungen wegen sexualisierter Gewalt nach wie vor umgehend an die Staatsanwaltschaft weitergegeben - sofern die Betroffenen zustimmen.

Einbezug Betroffener von Anfang an

In der EKHN prägen die Erfahrungen durch die Aufarbeitung der Schicksale von Kindern in evangelischen Heimen die Begleitung von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Hier leistete die EKHN vor allem mit dem Einbezug Betroffener von Anfang an Pionierarbeit. Diese Ansätze waren bundesweit wegweisend und flossen auch in den Aktionsplan der EKD gegen sexualisierte Gewalt ein. Im Jahr 2023 nahm die multiprofessionell besetzte Fachstelle gegen Sexualisierte Gewalt ihre Arbeit auf. Sie ist direkt dem Kirchenpräsidenten zugeordnet. In ihr werden vorhandene Stellenressourcen gebündelt und aufgestockt. Wichtiges Mitglied ist der Betroffenenvertreter, der die Sichtweisen und Anliegen Betroffener in die Arbeit einbringt. 

Zahlen in Hessen-Nassau

Nach aktuellem Kenntnisstand (März 2023) haben sich in der EKHN, die aktuell rund 1,4 Millionen Mitglieder hat, seit dem Gründungsjahr 1947 bis heute 80 Verdachtsfälle ergeben, bei denen die Befürchtung bestand, dass Menschen im Bereich der EKHN Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Davon haben sich 42 gegen Pfarrpersonen gerichtet. 24 Meldungen in Zusammenhang mit Pfarrpersonen wurden als nachgewiesen oder zumindest als sehr wahrscheinlich eingestuft. Enthalten in der Gesamtzahl von 80 Verdachtsfällen sind ebenfalls Vorkommnisse von Peer-Gewalt, also Taten unter Kindern und Jugendlichen selbst. In der Gesamtzahl sind auch alle bekannten Übergriffe aus Heimen in evangelischer Trägerschaft enthalten, von denen ein Großteil in die Zeit vor 1975 fällt. Im Fokus steht in der EKHN insgesamt nicht nur die Rolle von Pfarrpersonen, sondern ebenso die von pädagogischem Fachpersonal, weiteren kirchlichen Berufsgruppen oder auch den zahlreichen ehrenamtlich Mitarbeitenden.

Informationsseiten: Maßnahmen der EKHN: Null Toleranz gegen Gewalt


top